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Eiweiß schützt Krebszelle vor Chemotherapie


04. Februar 2009

Forscher der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universitätsmedizin entschlüsseln, wieso Zelle sich nicht zerstört


Wie setzen sich Krebszellen gegen eine Behandlung durch Chemotherapeutika zur Wehr - das ist die Frage, die Professor Roland Stauber von der HNO-Klinik der Universitätsmedizin und sein Team beantworten.

Wer zum Arzt oder ins Krankenhaus geht, vertraut auf genaue Befunde und gezielte Behandlung. Damit Ärzte im Krankheitsfall sinnvoll agieren können, muss in der Medizin ständig geforscht werden. Die AZ stellt einige besondere Forschungsgebiete der Universitätsmedizin vor.
 
"Verstehen, heilen, vorbeugen" - so beschreibt Professor Roland Stauber von der Hals-Nasen-Ohren-Klinik (HNO) der Universitätsmedizin den Idealweg biomedizinischer Forschung. "Speziell an Kliniken geschieht Forschung ja nicht zum Selbstzweck, es geht darum, Mittel zu finden, Patienten das Leben zu erleichtern, sie im Idealfall zu heilen. Daran arbeiten wir auch hier im Rahmen des neuen Schwerpunkts `Tumorbiomedizin`."

Mit einem Team von etwa zehn Mitarbeitern widmet sich der Forscher in Mainz seit 2006 der Frage, wie Krebszellen sich gegen eine Behandlung durch Chemotherapeutika zur Wehr setzen. "Am Anfang steht die Feststellung: Krebs wird nicht immer komplett geheilt", erklärt Stauber. Zwar stehen die Chancen gut, einen Tumor - je nach Lage und Größe -  zu entfernen, "aber selten sind alle bösartigen Zellen restlos weg, oft haben sie sich bereits im Körper verteilt".

Professor Roland Stauber

Wie setzen sich Krebszellen gegen eine Behandlung durch Chemotherapeutika zur Wehr - das ist die Frage, die Professor Roland Stauber von der HNO-Klinik der Universitätsmedizin und sein Team beantworten.
 Foto: Sascha Kopp.


Wie schützt sich die Zelle?
Bei Tumorzellen, so erklärt der Professor, beobachten die Mediziner, "dass sie Mechanismen gegen ihre Behandlung entwickeln, man kann sagen, Methoden, um sich selbst zu schützen". Dabei, so weiß man seit einigen Jahren, spielt das Eiweiß "Survivin" (von: to survive - überleben) eine Rolle. "Survivin finden wir auch in gesunden Zellen", so Stauber, "aber wenn eine gewisse Konzentration davon erreicht ist, friert der Körper die Produktion quasi ein." In Krebszellen werde die Produktion von Survivin reaktiviert, "sie verläuft dann unkontrolliert", verdeutlicht der Forscher.


"Was wir schon länger wissen ist, je mehr Survivin in den Zellen ist, umso besser geht es dem Krebs und umso schlechter dem Patienten." Unklar war bislang, wodurch diese Korrelation zustande kommt - dabei ist den Mainzer Medizinern ein Durchbruch gelungen. "Wir haben festgestellt, wie das Survivin die Krebszelle schützt", sagt Stauber und erklärt: "Eine defekte Zelle versucht ja, sich zu reparieren. Gelingt ihr das nicht, zerstört sie sich. Diese Selbstzerstörung löst Chemotherapie bei Krebszellen aus. Survivin bewegt sich nun in der Zelle und verhindert dadurch diese `Todesmaschinerie` - so überlebt die Krebszelle."
Die Entdeckung gelang den Mainzer Forschern an Zellkulturen von Kopf/Hals- und Darmkrebszellen. "Wichtig ist für uns, im zweiten Schritt zu gucken, ob unsere Ergebnisse auch am Patienten zutreffen - denn wir forschen ja `translational`, sprich, wir arbeiten an der Anwendbarkeit von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung für den Patienten."

Therapie gezielter möglich
Weil das Phänomen auch am Patienten signifikant auftritt, führt der nächste Schritt auf Wirkstoffsuche. "Da sind wir jetzt dran. Das Schöne: je genauer wir ein Phänomen kennen, umso gezielter können wir es behandeln, so sinkt die Gefahr von Nebenwirkungen", erklärt der Professor. "Der Zusammenhang von Survivin und dem Überleben der Krebszellen ist ja nicht neu, aber nun, da wir wissen, wie genau beides zusammenhängt, wird die Therapie spezifischer, das ist ein schöner Erfolg."

Und noch eine weitere Entdeckung ist den Mainzer Medizinern bei ihren Forschungen gelungen. "Neben dem Survivin wussten wir vom Botenstoff Stickstoffmonoxid NO, er spielt eine Rolle für die Krebszellen. Bei unseren Versuchen konnten wir jetzt nachweisen, dass `iNOS`, das ist das NO produzierende Eiweiß, wiederum die Entstehung von Survivin begünstigt. Jetzt kennen wir zwei verschiedene Stellen, an denen wir den Krebs angreifen können", sagt Stauber.

"Wir prüfen jetzt etwa 40000 Stoffe darauf, ob sie die Bewegung des Survivin beeinflussen, unterbinden können, 17000 haben wir bisher getestet. Das passiert mit einer vollautomatischen Maschine, da haben wir ein spezielles Verfahren entwickelt. Wir nutzen ein Gerät in Berlin, bemühen uns aber, eine solche `Mikroskoptechnologie` auch nach Mainz zu holen, das würde vielen Forschen die Arbeit sehr erleichtern."

Studie mit der Industrie
Etwa zehn der getesteten Stoffe zeigten einen Effekt, so Stauber. "Die testen wir wieder im Labor, um die besten zwei, drei zu finden, mit denen wir in den Tierversuch gehen." Geht alles glatt, steht im Idealfall die erste Studie am Patienten an, "später eine größere, vielleicht mit der Industrie", schaut Stauber in die Zukunft.
Am Ende soll ein Medikament stehen, das Menschen hilft, ihr Leid verringert, ihre Lebensqualität verbessert. "Diese Aussicht ist wirklich die beste Motivation, die ich mir vorstellen kann", sagt Professor Roland Stauber.


Von Mara Braun, erschienen in der Mainzer Allgemeinen Zeitung, im Spezialteil "Medizin forscht"